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12.09.2002

Höherer Pflegebedarf erfordert mehr Unterstützung

Pressemitteilung: Höherer Pflegebedarf erfordert mehr Unterstützung. Tagung über Demenz-Erkrankungen in Stapelage

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Fachkundige Beratung vom Podium: Rudolf Kaup (Elisenstift Dörentrup), Sonja Rodschinka (AWO Feierabendhaus Bad Salzuflen), Jörn Langejürgen und Claudia Uekermann (beide AOK Westfalen-Lippe) (von links)

„Menschenwürde – auch wenn das Gedächtnis nachlässt?“ hieß die Tagung der Arbeitsgemeinschaft Altenarbeit in der Lippischen Landeskirche (AALL) und der Arbeitsgemeinschaft Altenhilfe Bad Salzuflen. Die Hälfte der 55 Teilnehmer waren Fachleute aus Altenpflege, Sozialarbeit und Medizin, die anderen pflegende Angehörige. Die Zahl der Menschen mit Hirnleistungsstörungen wurde mit bundesweit zwischen 800.000 bis 1,1 Millionen angegeben. Jährlich wachse ihre Zahl um 200.000, sagte AALL-Vorsitzende Uta Deppermann.
Ein neues Denken in der Altenpflege forderte Rudolf Kaup, Leiter der Altenheime Stiftung Elisenstift in Dörentrup und Barntrup: „Wir haben alle keine Fantasie mehr.“ Die jetzige Struktur von stationärer, Kurzzeit- und ambulanter Pflege sei zu unflexibel und einengend. Aber „der Wahnsinn an Bürokratie“ hindere die Erprobung neuer Ideen. Ohne die Ergänzung durch Ehrenamtliche sei eine ausschließlich professionelle Pflege nicht auf Dauer aufrecht zu erhalten.
Auch Sonja Rodschinka vom AWO-Feierabendhaus in Bad Salzuflen wandte sich gegen den Verwaltungsaufwand, den die vom Pflegeversicherungsgesetz vorgeschriebene Dokumentation erfordert. Sie bat jede dritte Person im Saal aufzustehen und demonstrierte so anschaulich, was es heißt, wenn jede dritte Mitarbeiterin nur mit Dokumentieren beschäftigt ist. „Der Gesetzgeber muss wissen: Gegen Kontrolle haben wir nichts, aber sie darf nicht aus generellem Misstrauen angeordnet werden.“ Die Praktikerin schilderte deutlich die Misere des Altenpflegeberufes: „Wer fünf Jahre hinter sich hat, ist so ausgebrannt, dass er sich entweder einen neuen Job sucht oder resigniert.“ Dabei müssten sich die Voraussetzungen für eine Motivation der Mitarbeitenden doch leicht schaffen lassen: Schließlich sei die Altenpflege „der einzige Markt, der wächst.“
Auch Heike Rieso-Brokfeld von der AWO-Tagespflege Bad Salzuflen und Margrit Leischner, die eine Alzheimer-Selbsthilfegruppe vertrat, mahnten ein flexibles und gleichzeitig finanzierbares Betreuungsangebot an. Vor allem müsse der Gesetzgeber den höheren Pflegebedarf bei Demenz anerkennen.
Ohne einen solchen Schritt werde sich die Situation nicht entscheidend ändern, unterstrich Jörn Langejürgen von der AOK Westfalen/Lippe. Das mit heißer Nadel gestrickte Pflegeleistungsergänzungsgesetz vom Januar diesen Jahres baue aber viele Hürden auf. Eine zusätzliche Zahlung von 450 Euro pro Jahr sei angesichts eines Tagespflegesatzes von 50 Euro nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
Wichtig war Uta Deppermann, dass Demenz als körperliche Erkrankung wahrgenommen und anerkannt wird. Sie wandte sich gegen das Tabu, mit dem die Altersverwirrtheit oft behaftet sei: „Mit einem Gipsbein kann jeder umgehen – Demenz-Erkrankungen sind manchen etwas peinlich.“

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