Archiv 2005 - 2001

06.06.2002

Wahrheit am Krankenbett

Pressemitteilung: Wahrheit am Krankenbett. Diskussion im Gemeindezentrum St. Johann

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Theologe und Arzt im Gespräch: Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier (rechts) im Gespräch mit Dr. Wilhelm von Hornstein.

Professor Dr. Heinz Köstering eröffnete den Abend mit einem Kurzreferat. Darin stellte der Internist die Frage, wie und wann sich ein Arzt mit seinem Patienten über die Diagnose Krebs unterhalten müsse. Das solle bereits beim ersten Verdacht, im persönlichen Gespräch, eventuell im Beisein von Angehörigen erfolgen, meinte er. „Angst ist für den Patienten der schlechteste Ratgeber“, sagte er. Die Aufgabe des Arztes sei es also, dem Patienten die Angst zu nehmen. Damit könne er die Heilungsaussichten des Kranken erheblich verbessern.
Professor Dr. Lutz Braun, ehemaliger Direktor des Klinikums Lippe-Detmold, betonte ebenfalls die „lebensbejahende Haltung“, die der Arzt gegenüber dem Patienten einnehmen müsse. Dazu gehöre auch, dass der Arzt im Interesse des Patienten manchmal vorsichtig mit der Wahrheit umgehe. „Der Patient legt sein Schicksal in die Hände des Arztes. Da er ihn nicht beurteilen kann, muss er sich von seinem Vertrauen leiten lassen“, sagte er. „Bei einem gestörten Vertrauensverhältnis ist eine gute Behandlung unmöglich“, lautete sein Fazit. Eine psychologische Schulung der Ärzte, die ihnen das Gespräch mit ihren Patienten erleichtert, gibt es bisher allerdings nur in Ansätzen.
Das räumte Dr. Dr. Wilhelm von Hornstein von der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg auf Nachfrage aus dem Publikum ein. Er hatte einen Videofilm dabei, der die negativen Auswirkungen eines falsch geführten Gespräches auf das Befinden des Patienten zeigte. Darin sprach eine todkranke 36-jährige Krebspatientin über ihre Erfahrungen und Gefühle während ihrer Krankheit. Sie und ihr Mann berichteten von der mangelnden Sensibilität ihrer Ärzte. „Der Umzug in ein Einzelzimmer war ein Schock für mich“, erzählte beispielsweise die inzwischen verstorbene Patientin, die diese - vielleicht gut gemeinte – Anordnung als Aussonderung zum Sterben empfand.
Wie schwierig die Gratwanderung des Gesprächspartners im Umgang mit der Wahrheit ist, zeigte dann noch einmal die Stellungnahme des Landessuperintendenten der Lippischen Landeskirche, Gerrit Noltensmeier. „Es gehört zur Würde und zum Elend des Menschen, dass er von seinem Tod weiß“, sagte Noltensmeier: „Wahrheit macht frei zu leben - und auch wissend ins Sterben zu gehen“. Christen seien „die Boten der Wahrheit, die sich mit der Liebe verbindet“. Um die Wahrheit komme man nicht herum, meinte der Landessuperintendent, aber man müsse einfühlsam mit dem Gegenüber umgehen. Darin unterscheide man sich von den „Zynikern der Wahrheit“.

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