Jungpoeten machen das Maul auf

Poetry Slam begeistert mit pointierten Geschichten aus dem Leben

Gestenreich und wortgewaltig: Der Bochumer Jason Bartsch setzt sich beim Poetry Slam im Schloss Brake gegen fünf Jungpoeten durch.

Lemgo. Wortgewaltig ging es zu beim Poetry Slam „Mach’s Maul auf“ im Innenhof von Schloss Brake. Sechs junge Poeten lieferten sich mit ihren Texten über Gott und die Welt, gesellschaftliche Entwicklungen und den Mikrokosmos des eigenen Lebens spannende Duelle. Am Ende setzte sich Jason Bartsch aus Bochum durch.


Ein Poetry Slam ist ein Vortragswettbewerb, in dem die Teilnehmer in einer begrenzten Zeit selbstverfasste Texte vortragen und anschließend mit einer Applaus- oder Punktewertung durch das Publikum beurteilt werden. Unter dem Motto „Mach’s Maul auf“ – laut Horst-Dieter Mellies ein original Luther-Zitat – findet    in diesem Jahr in vielen Landeskirchen ein Poetry Slam zum Reformationsjubiläum statt. Als Landespfarrer für Bildungsarbeit der Lippischen Landeskirche war Mellies einer der Mitveranstalter in Lemgo; Kooperationspartner waren das Ev. Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe, der Ev. Bund Westfalen und Lippe, das Weserrenaissance-Museum Schloss Brake, der Landesverband Lippe, die Agentur LUUPS/Science-slam.com und „WortLautRuhr“.

Unter der Moderation des Poetry-Slam-Meisters Marc-Oliver „Katze“ Schuster standen sich die sechs Teilnehmer im K.O.-System gegenüber. Berit Kruse stellte bei ihren Beobachtungen zur „Welt in Klein und Groß“ nachdenklich fest: „Warum weint man, wenn man sich von einem Freund trennt, aber nicht, wenn 1200 Kilometer entfernt ein Krieg brennt?“ Es war dann aber der Kölner Sulaiman Masomi, der sich in diesem Duell knapp durchsetzte. Zynisch spielte der „Selbstwortattentäter“ den oft beschworenen „Untergang des Abendlandes“ durch. Die Islamisierung habe zu einer „Allahgie“ geführt, auch er müsse „den Sprengstoffgürtel enger schnallen“. Im Finale bewies Masomi mit seiner Inszenierung des „Hohen Rats der Sprache“ erneut Einfallsreichtum: Da unterstellte der Euphemismus der Hyperbel die Untertreibung und verharmloste den im Rollstuhl sitzenden Genitiv als Kollateralschaden des Dativs, während ihn die rhetorische Frage fragte, ob er den Sachverhalt beschönige – Platz 2 in der Endabstimmung.

Die Begegnung des Bochumers Yannick Steinkellner mit der „Dame hinter dem Computer“ blieb derweil chancenlos gegen die aberwitzigen Gedanken des ursprünglich auf einer nicht näher definierten Nordseeinsel geborenen Wahl-Paderborners Jörn Matjes zur Kunst des Lügens, denen er im Finale eine Liebeserklärung mit überraschender Wendung folgen ließ: wie sich herausstellte, galten lyrische Glanzpunkte wie „Du bist alle Hauptrollen im Film, der alle Oscars gewinnt, ich bin der Statist in der Szene, die es nicht durch den Schnitt schafft“ einer Katze.

Im dritten Duell erklärte der ehemalige Lemgoer und jetzige Hildesheimer Martin Frank mit Hilfe eines Alter Ego als Biber „Hummelsberger“, warum es vorkomme, dass er bisweilen verschiedenfarbige Socken trage. Die für seine kleinen Neffen und Nichten gedachte Erzählung funktionierte auch beim erwachsenen Publikum – gegen den späteren Sieger Jason Bartsch reichte es jedoch nicht. Sowohl mit der die Traumata seiner Kindheit und Jugend verarbeitenden Abhandlung „Im Kleinen fängt es an, im Großen hört es auf“ als auch in der Auseinandersetzung mit der Redewendung „Fünfe grade sein lassen“ im Finale gefiel der Bochumer mit brillantem Wortwitz, der zudem mit Gesellschaftskritik gepaart war.

 

 

 

 

05.09.2017