Erinnern und Hinsehen

von Kirchenrat Tobias Treseler

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in Deutschland Synagogen, Betstuben und Geschäfte jüdischer Eigentümer angezündet oder zerstört. Die Detmolder Synagoge ging um 2 Uhr morgens in Flammen auf. Der Landesbranddirektor selbst hatte das Feuer unter Leitung des Bürgermeisters und anderer NSDAP-Funktionäre entzündet. Auch in anderen lippischen Orten zeigten die Pogrome ihre menschenverachtende Wirkung.

Menschen jüdischen Glaubens wurden in Angst versetzt und erniedrigt. Die systematische Verfolgung der jüdischen Minderheit in Deutschland mündete in den Holocaust. Kaum jemand, auch die allermeisten Christen nicht, hatte den Mut zum Widerstand.

Wozu sich daran erinnern, nach nunmehr 77 Jahren? Erinnern tut Not, um die Verbrechen am jüdischen Volk als Teil unserer deutschen Geschichte zu akzeptieren. Wir heute tragen dafür Verantwortung, dass das Gedächtnis an die Toten wach gehalten wird. Wer der Toten gedenkt, respektiert, dass Gott jedem Einzelnen eine unzerstörbare Würde gegeben hat, die auch über den Tod hinaus gilt.

Und wer sich erinnert, wird sensibel für das, was heute geschieht. Mit dem Wissen um unsere Geschichte können wir fremdenfeindliche oder rassistische Umtriebe nicht ignorieren. Wir müssen hinsehen, hingehen und klar machen: Im anderen erkennen wir das kostbare Bild Gottes, auch wenn er eine andere Hautfarbe hat oder durch eine andere Kultur oder Religion geprägt ist.

 

Wort zum Sonntag in der Lippischen Landes-Zeitung vom 7.11.2015