Dr. Werner Weinholt (links) erörterte mit den Schülern Fragen, ob militärische Gewalteinsätze gerechtfertigt sind.

Experten im Gespräch mit Schülern

Ethik-Tag der 10. und 11. Jahrgangsstufe des Stadtgymnasiums Detmold

Detmold. Spannende und zum Nachdenken anregende Gespräche ergaben sich bei einem Treffen von Fachleuten aus unterschiedlichen Berufsfeldern mit rund 200 Schülerinnen und Schülern der 10. und 11. Jahrgangsstufe des Detmolder Stadtgymnasiums. Auf dem Ethik-Tag des Gymnasiums wurden Themen wie Folter, Todesstrafe, Tyrannenmord, Abtreibung und Präimplantationsdiagnostik erörtert.

Die Jugendlichen hatten Fragestellungen im Religions- oder Philosophieunterricht und an Projekttagen vorbereitet, um eine eigene ethische Wertung zu erarbeiten. Ihre Beurteilungen und Einschätzungen konnten sie mit Fachleuten diskutieren, die mit diesen Themen in ihrem beruflichen Alltag zu tun haben. Experten u.a. von der Lippischen Landeskirche und vom Evangelischen Beratungszentrum des Diakonischen Werks standen den jungen Leuten Rede und Antwort.
Den Tod Osama bin Ladens thematisierte die Arbeitsgruppe „Tyrannenmord“ gemeinsam mit Militärdekan Dr. Werner Weinholt, Referent des Militärbischofs der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. Martin Dutzmann. Abgewogen wurden die Meinungen, ob die Quasi-Hinrichtung des gesuchten Terroristen durch amerikanische Einsatzkräfte ein Akt begründeter Notwehr gewesen sei, um weiteren Terrorakten vorzubeugen, oder ob hier das Notwehrrecht überdehnt worden sei, um eine vergeltende Rache zu rechtfertigen. Eine eindeutige Beantwortung gebe es in dieser problematischen Situation nicht, so Dr. Weinholt. Die Beschäftigung mit dem Tyrannenmord führe aber zur Frage, ob und wann es geboten erscheine, auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren. Möglicherweise dann, wenn man damit unmittelbar bevorstehendes größeres Leid verhindern könne. Eine eindeutige und allgemeine Antwort darauf könne auch im Rahmen des christlichen Glaubens nicht gegeben werden. Das hänge von der jeweiligen Situation ab und sei von Fall zu Fall zu entscheiden.
Der spezielle Fall bin Laden offenbare zudem Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Rechtsverständnis. Während einige US-amerikanische Bundesstaaten die Todesstrafe erlaubten, sei sie in Deutschland verboten. Nach seiner Überzeugung, so Dr. Weinholt, sei deutschen Soldaten die Planung und Durchführung hinrichtungsähnlicher Aktionen nicht erlaubt.
In der Arbeitsgruppe „Schwangerschaftskonfliktberatung“ verdeutlichte Ingrid Moczarski vom Evangelischen Beratungszentrum, dass sie die Beratungsgespräche hinsichtlich eines Schwangerschaftsabbruchs grundsätzlich ergebnisoffen führe. Als Beraterin versuche sie im Dialog mit den Frauen herauszufinden, warum eine Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung getroffen werden muss. Dabei käme es sehr darauf an, das menschliche Umfeld zu erkunden, in dem schwangere Frauen leben. Grundprinzip der Schwangerschaftsberatung sei „mit der Frau, nicht gegen sie“. Das bedeute zum Beispiel, die Frau in ihrer individuellen Konfliktsituation vorbehaltlos anzunehmen. Schuldvorwürfe und Belehrungen seien dabei völlig fehl am Platz.
Zielsetzung des Ethiktages war es, gut reflektierte und begründete Werthaltungen mit dem praktischen Umgang mit diesen Problemen im Berufsalltag zu verbinden. Die Schüler erkannten, dass viele Berufe mit ethischen Fragen zu tun haben und ein werteabwägendes Auseinandersetzen mit Entscheidungssituationen erfordern. Die Experten waren von den Religionslehrern Björn Kruschke, Katharina Kleine Vennekate, Klaus Ernst und Sabine Keitsch eingeladen worden.

26.07.2011