Es geht ans Eingemachte

Der Abendmahlstisch der ev.ref. Kirche Horn in der Passionszeit 2009 Gedanken

Im Abendmahlstisch der ev.ref. Kirchengemeinde Horn ist ein Vorratslager entstanden: Einmachgläser, Flaschen, Leergut. Zwischen all dem Eingemachten fallen einige Gläser auf. Sie enthalten nicht Mirabellen oder Bohnen, sondern Zettel, Briefe, Papierschnippsel, Zerknülltes. Wie ordentliche Einmachgläser sind auch diese Gläser beschriftet - allerdings nicht mit dem Einmachdatum, sondern mit dem Verbrauchsdatum. Diese Gläser sollen zu einem bestimmten Zeitpunkt geöffnet werden.

Das Papier, das sie in der ein oder anderen Art enthalten, ist ein biblischer Text - der zweite Brief des Paulus an seinen Schüler Timotheus. Es ist ein Abschiedsbrief. Paulus wird als Märtyrer in Rom sterben. Das weiß er. Seinem Schüler will er mit auf den Weg geben, was seiner Meinung nach wichtig ist - lebenswichtig.
Er schreibt einen Brief. Und ein Brief ist haltbar gemachtes, eingemachtes Wort. Es überdauert den Schreiber und den ursprünglichen Empfänger. Was für Timotheus lebenswichtig war, kann auch für andere lebenswichtig sein.
Johannes Calvin, der Genfer Reformator, dessen 500. Geburtstag dieses Jahr ist, fand diesen Brief lebenswichtig. Es war sein Lieblingsbuch in der Bibel. Und er hat ihn gelesen mit Blick auf die verfolgte Kirche in Frankreich. Er hat über diesen Brief des Märtyrers Paulus nachgedacht. Und mit seinem Nachdenken hat er die Märtyrer in Frankreich trösten wollen.

Der Abendmahlstisch als Vorratsraum erinnert daran, dass er in alten Kirchen der Ort ist, an dem Reliquien oder Heilige ' aufbewahrt' oder verborgen wurden. Es wird an den Reichtum der Kirche erinnert - nicht den finanziellen, sondern den geistlichen. Wenn im Horner Abendmahlstisch biblisches Wort und eingemachtes Obst zusammenkommen, stellt sich eben auch die Frage: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Die Bibeleinmachgläser stehen zwischen all den anderen Lebensmitteln. Die Bibel ist ein Lebensmittel - für das zeitliche und ewige Leben. Aber dafür müssen die Gläser geöffnet werden. Nur dann kann man probieren, essen, sich guttun lassen. Man muss lesen, hören, verdauen, Kraft gewinnen.
Der Abendmahlstisch in dieser Form wird die Horner Gemeinde durch die 40 Tage vor Ostern, die Passionszeit begleiten. Jede Woche in der Passionszeit, jeweils mittwochs um 19.00 Uhr wird ein Glas aufgemacht werden.
In der Passionszeit geht es ums Eingemachte. In unserer Sprache hat das auch einen etwas negativen Klang. Das Eingemachte - das kann das Verdrängte sein, das, was ich nicht mag oder nicht wahrhaben mag. Die Passionszeit könnte daran erinnern, dass wir Sünder sind - als etwas, das wir gerne verdrängen.
Das Eingemachte kann aber auch das Aufbewahrte sein, das, was mich durch den Winter oder die Notzeiten bringt. Dann erinnert die Passionszeit daran, dass es Gott in Jesus Christus ist. Mit ihm geht es an das Eingemachte der Kirche.
Das eingebaute Regalbrett und seine Stütze bilden zusammen ein Kreuz. Die Horizontale trägt die Gläser, aber die Vertikale stützt das Tragende, das Horizontale.

27.02.2009