Für den Vortrag über Simone de Beauvoir bedankten sich bei Dr. Antje Schrupp (2. von rechts) Monika Korbach, landeskirchliche Referentin für Frauen- und Bildungsarbeit, Regina Pramann, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Lippe, und Dorothee Brand, Beraterin bei Pro Familia Lippe (von links).

„Verantwortung für die Welt“

„Simone de Beauvoir und die Frauenbewegung“ im Detmolder Frauensalon

Kreis Lippe/Detmold. „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“ Die französische Philosophin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir (1908 - 1986) hat mit diesem Schlüsselsatz aus ihrer Studie „Das andere Geschlecht“ (1949) die Frauenbewegung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt. Aus Anlass des 100. Geburtstags von Simone de Beauvoir erinnerte die Journalistin und Politologin Dr. Antje Schrupp am Dienstag, 12. Februar, im 8. Detmolder Frauensalon an die Stichwortgeberin einer ganzen feministischen Epoche. Die Evangelische Frauenarbeit der Lippischen Landeskirche hatte in Zusammenarbeit mit Pro Familia Lippe und der Gleichstellungsstelle des Kreises Lippe in das Café Schokolade eingeladen.

Simone de Beauvoir habe dargelegt, dass mit Einführung des Frauenwahlrechts in den westlichen Demokratien das Thema der Gleichberechtigung der Geschlechter noch nicht erledigt sei. Das sei eine der großen Leistungen der französischen Denkerin gewesen, führte Antje Schrupp aus. Die Mehrheit der Frauenrechtlerinnen habe geglaubt, dass mit der politischen Gleichstellung sich alle weiteren Gleichberechtigungsfragen von alleine lösen würden, würdigte Schrupp die historische Bedeutung der Beauvoir.

Simone de Beauvoir habe verdeutlicht, dass die Industriegesellschaften trotz der Wahlrechtsreform weiterhin von patriarchalischen Denkmustern geprägt seien. Diese billigten dem Mann eine aktive Rolle zu, zum Beispiel in Beruf und Politik, während die Frau auf ein Wirken im Privatbereich (Haushalt, Kinderbetreuung) hin erzogen werde. Die Referentin berichtete, dass im Frankreich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinsichtlich der Kindererziehung folgende Überzeugung geherrscht habe: „Jungen müssen sich anstrengen. Mädchen müssen sich anpassen.“ Jede Frau sei jedoch so autonom, sich den vorgegebenen und zuweilen auch bequemen Rollenmustern verweigern zu können, fasste Antje Schrupp zentrale Aussagen des Beauvoirschen Denkens zusammen. „Simone de Beauvoir war der Überzeugung, dass auch eine Frau, die von einer patriarchalischen Gesellschaft gegängelt werde, so frei sei, sich diesen Gängeleien widersetzen zu können.“ Sie habe die Frauen aufgefordert, sich aus allen weiblichen Rollen zu lösen und sich stattdessen ohne Wenn und Aber einen Zugang zur Welt der Männer zu verschaffen und sich in diese zu integrieren.

Anhand unzähliger Beispiele in ihrem Buch  „Das andere Geschlecht“ habe Simon de Beauvoir nachgewiesen, dass die Benachteiligung der Frauen sich durch alle Bereiche von Kultur, Bildung und Gesellschaft gezogen habe. Und dass die Unterschiede der Geschlechter auf eine Weise polarisiert waren, die es unmöglich machte, dass Frauen sich auf dem Weg der politischen Mitbestimmung in gleicher Weise wie die Männer Bahn verschafften. Antje Schrupp: „Es mussten daher andere Maßnahmen wie aktive Frauenförderung und Gleichstellungsprogramme hinzukommen. Gender Mainstreaming nennen wir sie heute.“ Mit Simone de Beauvoir habe in Europa die „Epoche der Gleichstellungspolitik“ begonnen.

Die Autorin von „Das andere Geschlecht“ habe vor 60 Jahren gezeigt, dass Feminismus sich nicht mit dem Wahlrecht erschöpfe. Feminismus heute müsse mehr sein als die Forderung nach weiteren Fördergesetzen oder einer Erhöhung des Elterngeldes, sagte Antje Schrupp. Die Frauenbewegung sollte sich einsetzen „für eine Welt, in der Frauen und Männer mit Wohlbehagen leben, in der das Weibliche nicht mehr als dem Männlichen untergeordnet gilt, in der Frauen also nicht mehr das ‚zweite’ Geschlecht sind.“ Frauen sollten eintreten für eine Freiheit, die Welt nach ihren Wünschen zu gestalten. Aber eben auch, fügte die Referentin an, ohne sich dabei an vorgegebene Maßstäbe und Werte einer männlichen Kultur anpassen zu müssen. Schrupp: „Auf jeden Fall sollten wir uns dabei Beauvoirs Appell zu Herzen nehmen, dass wir Verantwortung für diese Welt tragen und dass wir uns nicht ins Private zurückziehen.“

14.02.2008