Pfarrer Dieter Bökemeier, der Flüchtlingsbeauftragte der Lippischen Landeskirche, im Gespräch mit Frank Gockel, Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“. (v.l.)

Unschuldig im Gefängnis

Vortrag zu Abschiebehaft im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fremde.Heimat.Lippe.“

Detmold. Mit Kabelbindern gefesselt, ins Flugzeug gesetzt und in eine ungewisse Zukunft geflogen – diese Bilder von unserem Umgang mit Abschiebehäftlingen sind bekannt. Was geschieht vorher, wie erleben die Abschiebehäftlinge die Zeit im Gefängnis, wie kümmert man sich um sie? Frank Gockel vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren“ und Flüchtlingsberater berichtete über seine Arbeit. Sein Vortrag „Unschuldig im Gefängnis“ fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fremde.Heimat.Lippe.“ der Lippischen Landeskirche und des Diakonischen Werks am Dienstagabend im Gemeindehaus der Marktkirche statt.

„Die Leute verstehen es nicht. Sie verstehen nicht, dass man, ohne eine Straftat begangen zu haben inhaftiert werden kann.“ So schilderte Frank Gockel die Erfahrung, die er bei der ersten Kontaktaufnahme mit Abschiebehäftlingen immer wieder macht.

Die Fragen, die sie dann an die Besucher vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft haben, sind immer gleich: „Was ist passiert? Wieso bin ich hier? Wie komme ich hier wieder raus?“.

Frank Gockel kennt diese Fragen seit 12 Jahren. Damals trat er dem Verein bei. „Das ist ein bunter Haufen von Menschen zwischen 17 und 70 Jahren aus dem karitativen und kirchlichen Bereich sowie aus dem linken politischen Spektrum“, erzählte er. „Wir haben nirgendwo Berührungsängste, aber als Kegelverein würde das sicher nicht funktionieren“, fügte er lächelnd hinzu.

Mit 13 weiteren Helfern besucht er regelmäßig die Häftlinge in der Abschiebehaftanstalt Büren, die Haftanstalt in NRW, in die die Männer eingewiesen werden. Die für Frauen ist in Neuss. „In Büren sind zur Zeit etwa 150 Häftlinge, es waren aber auch schon mal 500“, sagte Gockel.

Die Mitglieder des Vereins dürften keine Rechtsberatung erteilen, aber man kümmere sich um alltägliche Probleme. Für die Gefangenen sei es wichtig, einfach mal eine Stunde aus dem Alltag des Gefängnisses zu kommen, ergänzt Gockel. Besuche finden nämlich auf dem Gelände in einem Besucherhaus statt. Man sei von der Gefängnisleitung und dem Wachpersonal nicht immer gern gesehen, aber: „Da wir nichts Gesetzwidriges machen, kann man uns auch nicht einfach so rausboxen.“

Üblicherweise würden die Häftlinge zunächst für drei Monate eingewiesen.

Seien die Häftlinge innerhalb dieser Zeit nicht abgeschoben worden, gebe es einen Verlängerungsantrag der Behörde. Die Rechtssprechung dazu sei besonders am Amtsgericht Paderborn katastrophal, so Gockel. Der zuständige Richter habe lediglich  vier Freilassungen bei insgesamt etwa 10.000 Fällen angeordnet.

Aus Angst vor Abschiebung gebe es Selbstverletzungen wie Verbrennungen und Verstümmelungen, Selbstmordversuche und viele psychische Probleme unter den Häftlingen. Wenn sie abgeschoben würden, sei ihre Zukunft oft ungewiss, so Gockel. So seien von 14 Gefangenen, die nach Guinea abgeschoben wurden, drei verstorben, vier im Gefängnis gelandet, und von sieben fehle jede Spur, wie eine Recherche vor Ort ergeben habe. „Das ist nicht einfach zu verkraften. Es tut weh, wenn einer gehen muss, und noch mehr weh, wenn man anschließend nichts mehr von ihm hört“, sagte Frank Gockel. „Jugendliche müssen raus, Schwangere, Alleinerziehende, alte Leute, Schwerbehinderte, psychisch Schwerstkranke oder HIV-Kranke im Endstadium“, so Frank Gockel zu den dringendsten Forderungen zur Abschiebehaft. Langfristig sei klar: „Abschiebehaft ist Unrecht und gehört abgeschafft.“ Jeder könne helfen, beispielsweise durch Telefonkarten-Partnerschaften oder durch Geldspenden für Anwaltskosten, Reisegelder, Kleidung und Hilfe in besonderen Härtefällen.

Auskunft über Telefon 070022997711, oder www.gegenAbschiebehaft.de

31.01.2008