Talk der Religionen im Schützenhaus

Respekt und Menschlichkeit: Die Intoleranten und Scharfmacher waren nicht vertreten

Mit Toleranz, gegenseitigem Respekt und Humor im Gespräch: Nihat Köse, Matitjahu Kellig und Dieter Bökemeier.

Kreis Lippe/Bad Salzuflen. Miteinander reden, nicht übereinander. Nach diesem Grundsatz bringt die Lippische Landeskirche seit 2018 Vertreter verschiedener Religionen zu einem öffentlichen Gespräch zusammen. Der „Talk der Religionen“ fand am Donnerstag (9.6.) bereits zum zehnten Mal statt. Gastgeber war diesmal, im Schützenhaus Schötmar, der Kurdische Elternverein Lippe, der die ezidische Religion und die kurdische Sprache pflegt.

Um Flucht- und Migrationsgeschichten ging es an diesem Abend. Da wurde deutlich: Solche Geschichten sind für alle der vertretenen Religionen nicht nur ein Thema, sondern grundlegend. Die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, die Erzählung von der Flucht aus der Knechtschaft gehört zu den Urgeschichten des Judentums. Zur Erinnerung an den eiligen Aufbruch aus dem Reich des Pharaos feiern Juden bis heute das Pessach-Mahl, wie Matitjahu Kellig, der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, erläuterte.

Das Abendmahl der Christen wiederum geht auf den Juden Jesus zurück, der kurz vor seinem Tod am Kreuz genau dieses Pessach-Mahl feierte. Daran erinnerte der katholische Priester Markus Jakobs vom Pastoralverbund Lippe-Detmold, der mit seinem Kollegen Winfried Neumann beim Talk dabei war. Sabine Hartmann, Referentin für ökumenisches Lernen der Lippischen Landeskirche, ergänzte: „Schon kurz nach seiner Geburt muss Jesus fliehen, weil der Machthaber Herodes in ihm einen Konkurrenten wittert und alle männlichen Säuglinge in Bethlehem ermorden lässt.“ Nihat Köse, Öffentlichkeitsreferent des Islamischen Kommunikationszentrums Detmold e.V., wies darauf hin, dass am Beginn des Islam die Flucht des Propheten Mohammed und seiner Getreuen von Mekka nach Medina steht. Und der Ezide Usif Kalasch berichtete von beständiger Verfolgung und Unterdrückung:  Die Eziden, von denen es heute weltweit knapp eine Million gibt, bauten nirgendwo feste Versammlungshäuser wie Tempel oder Kirchen, weil sie stets mit Vertreibung rechnen mussten.

Und heute? Die kleine Jüdische Gemeinde Herford-Detmold besteht überwiegend aus Mitgliedern, die vor gut 30 Jahren als sogenannte Kontingentflüchtlinge aus der damaligen Sowjetunion kamen. Der Altersdurchschnitt ist hoch, viele sprechen wenig Deutsch und bleiben unter sich, was der Vorsitzende Matitjahu Kellig sehr bedauert. Die Katholiken sind in Lippe ebenfalls eine Minderheit. Das führt nach Worten von Markus Jakobs dazu, dass viele Zugereiste aus anderen Ländern die Messe besuchen. „Die Menschen mit Migrationshintergrund sind die Interessiertesten und Engagiertesten“, sagte der Pfarrer. In Detmold treffen sich Mitglieder verschiedener internationaler Gemeinden regelmäßig zum gemeinsamen Gottesdienst, berichtete Dieter Bökemeier, Landespfarrer für Diakonie, Ökumene und Migration der Lippischen Landeskirche. In Bad Salzuflen gibt es Beispiele für ein gutes Miteinander der Religionen, wie Meldungen aus dem Publikum deutlich machten. Ein Vertreter der Aleviten in Bad Salzuflen beklagte, dass seine Glaubensgemeinschaft in der Türkei nicht anerkannt sei. „Warum müssen Menschen wegen ihres Glaubens fliehen?“, fragte er.

Damit war das Thema Toleranz angesprochen. Der Katholik Jakobs bekannte, „dass Gott mir die Gelassenheit gibt, in Andersgläubigen meine Geschwister zu sehen“. Dieses Religionsgespräch, das wurde schnell klar, war von Menschlichkeit und hohem gegenseitigen Respekt und auch von Humor bestimmt. Stimmen aus dem Publikum bedauerten, dass die Intoleranten und Scharfmacher, die es in jeder Religion auch gibt, hier nicht am Tisch saßen. Gerade mit ihnen wäre es wichtig, ins Gespräch zu kommen. „Was können wir tun, damit wir nicht in unserer Blase bleiben?“, fragte Dilschad, der Sohn von Usif Kalasch. Sabine Hartmann versprach: „Wir werden weiter dranbleiben, bis wir auch die erreichen, die wir bisher nicht erreichen.“ Und Nihat Köse schloss mit optimistischem Pathos: „Wir haben heute die Saat der Menschlichkeit, des Respekts und der Toleranz ausgesät.“

 

 

14.06.2022

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