Opulente Klangfülle

Ausklang des Lippischen Orgelsommers in der Martin-Luther-Kirche

Virtuosität: Dirk Brödling demonstrierte die Möglichkeiten der Paschen-Orgel.

Kreis Lippe/Detmold. Die Martin-Luther-Kirche und ihre Geschichte sowie ein Konzert auf der Paschen-Orgel standen im Mittelpunkt der Abschlussveranstaltung des „Lippischen Orgelsommers 2010“ mit etwa 200 Gästen. Damit habe die von der Lippischen Landeskirche und dem Lippischen Heimatbund angebotene siebenteilige Veranstaltungsreihe mit insgesamt rund 1400 Besuchern wieder das Ergebnis der Vorjahre erreicht, bilanzierte Heimatbund-Geschäftsführer Burkhard Meier.

Elisabeth Wehlt von der lutherischen Kirchengemeinde Detmold brachte den Gästen die Geschichte der Martin-Luther-Kirche näher. 1729 schenkte die Gräfin Johannette Wilhelmine, eine überzeugte Lutheranerin, der jungen lutherischen Gemeinde den Adelshof derer von der Borch an der Schülerstraße (heute Gemeindehaus) und ließ hier 1733 bis 1741 eine Barockkirche bauen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts für die ständig wachsende Gemeinde zu klein wurde. Zwischen 1896 und 1898 wurde die Barockkirche durch einen neugotischen Bau nach den Plänen G. I. Fischers ersetzt.
Von besonderer Qualität seien die drei Chorfenster, deren mittleres mit der Kreuzigungsszene gar „ein kleines Politikum“ darstelle, erläuterte Wehlt.
Als der lippische Fürst Woldemar zur Lippe-Detmold am 20. Juli 1895 kinderlos starb, ging der Fürstentitel nominell auf seinen nicht regierungsfähigen und bereits entmündigten Bruder Alexander über; die Regentschaft trat deshalb zunächst der von Fürst Woldemar testamentarisch dazu bestimmte Adolf Prinz zu Schaumburg-Lippe an. Weil der lutherische Schaumburger glaubte, dass die im Bau befindliche Kirche seine zukünftige Hofkirche würde, spendete er das prächtige Chor-Mittelfenster.
Da jedoch die gräflichen Linien Lippe-Biesterfeld und Lippe-Weißenfeld ebenfalls Ansprüche auf Regentschaft und Nachfolge erhoben, ergab sich daraus der bis ins Jahr 1905 andauernde lippische Erbfolgestreit. Das Reichsgericht in Leipzig entschied die Angelegenheit im Juni 1897 zugunsten von Graf Ernst zur Lippe-Biesterfeld, der daraufhin die Regentschaft übernahm. Wegen des reformierten Bekenntnisses des Grafen Ernst wurde die Martin-Luther-Kirche nach ihrer Fertigstellung nicht Hofkirche. Allein das Chorfenster sollte fortan an Prinz Adolfs „lutherisches Interregnum“ in Lippe erinnern.
Der Detmolder Organist Dirk Brödling gestaltete das Abschlusskonzert mit Werken deutscher und französischer Komponisten, um den Konzertbesuchern die spezielle Stimmung des aus der Kieler Orgelbauwerkstatt Paschen stammenden Instruments vorzustellen. Brödling erläuterte, dass die 2009 fertiggestellte Orgel ein Instrument romantischer Ausprägung sei und den Klangvorstellungen in der Erbauerzeit der Martin-Luther-Kirche entspreche. Die neue Orgel bediene sich der Möglichkeiten sowohl deutscher als auch französischer Orgelbaukunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts, „um so ein sinnvolles Ganzes, ein Neues zu schaffen“.
Brödling führte seine Zuhörer mit einer Sonate des von der Wiener Klassik geprägten Martin Vogt (1781 - 1854) an den Vorabend der Romantik. Mit zwei lyrischen, fast schwerelosen „Liedern ohne Worte“ des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 - 1847) ließ der Organist anschließend wegbereitende Stücke der deutschen Musik der Romantik erklingen. Schließlich schlug Dirk Brödling mit einem sehr symphonischen Satz des französischen Komponisten und langjährigen Organisten der Kathedrale Notre-Dame de Paris, Louis Vierne (1870 - 1937) die Tür zur Moderne weit auf und verdeutlichte, zu welch opulenter Klangfülle die Paschen-Orgel fähig ist.

01.09.2010