Archiv 2005 - 2001

17.03.2003

Untersuchung vor der Geburt – und dann?

Pressemitteilung: Untersuchung vor der Geburt – und dann?

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„Schwangere sollten auch nein zur Pränataldiagnostik sagen können“, findet Dr. Elisabeth Gödde, Fachärztin für Humangenetik und Psychotherapie.

Prof. Dr. Elisabeth Gödde ist Fachärztin für Humangenetik und Psychotherapie an der Kinderklinik der Universität Witten/Herdecke. Auf Einladung der Evangelischen Familienbildung und der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Lippischen Landeskirche sprach sie über den Themenkreis der schwerwiegenden Entscheidung, vor der viele Schwangere stehen. Wie viele Untersuchungen wollen sie im Rahmen der Kontrolle zulassen, um mögliche Behinderungen ihres Kindes festzustellen? Diese Frage stellt sich besonders bei Frauen, die ihr erstes Kind mit 35 oder später erwarten. Laut Statistik besteht bei ihnen ein erhöhtes Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen. Ihnen wird ihr Arzt vorgeburtliche Untersuchungen nahe legen, die über die Routineuntersuchungen hinausgehen. Die Referentin schilderte den gesellschaftlichen Druck, dem sich viele solcher Frauen ausgesetzt sehen: Dahinter steht die Auffassung, dass es heute dank der modernen Untersuchungsmöglichkeiten „doch nicht mehr sein muss“, behinderte Kinder zur Welt zu bringen. Deshalb betonte die Referentin die Bedeutung der humangenetischen Beratung vor einer pränatalen Diagnose. In solchen Gesprächen, die auch die Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Lippischen Landeskirche anbietet, werde genau besprochen, welche Risikofaktoren vorliegen. Entscheidend sei die Frage: Wäre die werdende Mutter im Falle eines auffälligen Untersuchungsergebnisses zu einem Schwangerschaftsabbruch bereit? Wenn nicht, hätte die Untersuchung auch keinen Sinn. Außerdem sollte sie wissen, welche Risiken mit der Untersuchung verbunden sind. Schließlich gehört auch die Information über Behinderungen dazu. Kinder mit Down-Syndrom – früher Mongolismus genannt – seien durchaus entwicklungsfähig und könnten ein glückliches Leben führen.
Gödde: „Schwangere sollten auch nein zur Pränataldiagnostik sagen können.“ Alternative sei die normale Schwangerschaftskontrolle.
Zur weiterführenden pränatalen Diagnostik gehört zum Beispiel die Fruchtwasseruntersuchung. Dabei wird über eine Hohlnadel Fruchtwasser mit abgelösten Zellen des Ungeborenen aus der Fruchtblase entnommen. Elisabeth Gödde veranschaulicht den Eingriff, indem sie eine Hohlnadel und andere Instrumente der pränatalen Diagnostik - Petrischalen, Objektträger, Gummihandschuhe - herumgehen lässt. Bei der Fruchtwasseruntersuchung können Chromosomenabweichungen wie beim Down-Syndrom festgestellt werden. Der Übergang von normalen in spezielle Untersuchungen ist oft fließend, erklärt die Humangenetikerin.
Der Abend erweist: das Thema ist hoch aktuell, sensibel und schwierig. In der Diskussion wurde deutlich, dass auch behindertes Leben wertvolles Leben ist: Mit der pränatalen Diagnostik verbunden ist die Gefahr des „Aussortierens“ von Embryonen, die von der Norm abweichen.

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