Archiv 2005 - 2001

15.03.2004

Noltensmeier: Kopftuchverbot im Einzelfall entscheiden

Pressemitteilung: Noltensmeier: Kopftuchverbot im Einzelfall entscheiden. „Ein schillerndes Symbol“ – Niemand kann Deutungshoheit beanspruchen

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Kopftuch - religiöses oder politisches Symbol? Die Frage lässt sich nicht generell beantworten.

„Hellwach und höchst aufmerksam“ solle man darauf achten, ob der Ungeist des radikalen Islamismus an Schulen Einfluss gewinne. Er stehe in erklärtem Widerspruch zu Demokratie und Rechtsstaat, deshalb müsse man ihm durch Verbote begegnen. Das Kopftuch einer Muslimin könne sowohl Ausdruck eines solch gefährlichen politischen Aktivismus als auch Signal emanzipatorischer Freiheit sein. Ein generelles Verbot gäbe islamischen Fundamentalisten Auftrieb und Bestätigung, warnte Noltensmeier.
Zu unserer Demokratie, die ihre Wurzeln auch in der jüdisch-christlichen Religion hat, gehöre unabdingbar die individuelle Religionsfreiheit. Deshalb: „Religiöse Symbole, die nicht gegen die Menschenwürde verstoßen, sind in allen öffentlichen Räumen zulassig.“ Der Landessuperintendent schilderte die Schwierigkeit, die sich nun beim Kopftuch muslimischer Frauen ergibt: Es kann Verschiedenes zum Ausdruck bringen. Als religiöses wie als politisches Symbol ist es heftig umstritten – auch und gerade unter den islamischen und türkischen Gruppierungen in Deutschland. Möglicherweise nur ein Zeichen von Religion oder Tradition, kann es eben auch politisch motiviert sein – „ein schillerndes Symbol“, wie Noltensmeier feststellte: „Niemand kann die Deutungshoheit dafür in Anspruch nehmen.
Der Referent wies darauf hin, dass ein generelles Verbot außerdem die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche aufwerfen würde. In Deutschland sei dieses Verhältnis, anders als etwa in Frankreich, nicht von einer strikten und bedingungslosen Trennung, sondern von einem partnerschaftlichen Miteinander bestimmt. Dies zeige sich zum Beispiel im Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, der von den Kirchen verantwortet wird. Nur Menschen „mit erkennbarer religiöser Bindung“ könnten ihn erteilen und so die Werte vermitteln, denen der Erziehungsauftrag der Schulen verpflichtet sei. Das gelte auch für einen möglichen islamischen Religionsunterricht, der deshalb auf jeden Fall in deutscher Sprache erteilt werden müsse.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem Noltensmeier angehört, hält sowohl ein Verbot wie auch die Einzelfallentscheidung für möglich. Sie würde im Übrigen keine Schwierigkeiten machen: In Nordrhein-Westfalen sind nach Noltensmeiers Aussage weniger als zehn Lehrerinnen mit Kopftuch tätig.
Der Theologe wies außerdem auf die evangelisch-reformierte Tradition hin, in der die Klarheit des Wortes höhere Bedeutung hat als Symbole. Wie kontrovers die Kopftuchfrage eingeschätzt wird, zeigten die gegensätzlichen Auffassungen in der anschließenden Diskussion.

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