Archiv 2005 - 2001

14.11.2001

Die Bibel – ein gewalttätiges Buch?

Pressemitteilung: Friedensdekade: Dillmann über Bibel und Gewalt

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Die Rache ist Gott vorbehalten: Professor Dr. Rainer Dillmann sprach über Gewalt in der Bibel.

Immer wieder werde behauptet, die Bibel sei ein zutiefst gewalttätiges Buch, sagte der Theologe, und das nicht erst in neuerer Zeit: Bereits vor 1900 Jahren habe es ähnliche Kritik am „Gott der Rache und des Zorns“ gegeben. Immer wieder werde die Kirche zur Abkehr vom „gewalttätigen Gott“ aufgefordert, den man besonders im Alten Testament überall vermute. Das reiche bis zu der Forderung, sich vom Alten Testament zu distanzieren. Dillmann bejahte uneingeschränkt, dass die Kirche dieser Forderung nicht gefolgt ist, sondern das Alte Testament als Grundlage ihres Glaubens beibehalten hat. „Der Gegensatz liegt eben nicht zwischen dem Alten und Neuen Testament“, meinte er. Gedanken vom Gericht Gottes fänden sich auch im Neuen Testament.
Am Beispiel verschiedener Texte zeigte er, wie die gewalttätigen Züge im Gottesbild einzuordnen seien. In all diesen Auszügen aus Psalmen und prophetischen Büchern ließ sich ein Schema erkennen, das Professor Dillmann so beschrieb: Zunächst wird eine Situation geschildert, die von Gewalttaten und Unterdrückung durch eine Gruppe von Menschen gekennzeichnet ist. Darauf folgt die Beschreibung der Strafen, die gegen die Unterdrücker angewandt werden sollen: Mord, Vergewaltigung, Plünderung und anderes. Es geht sehr drastisch zu - ein Abbild der damaligen Form der Kriegführung, wie der Referent meinte. Schließlich gibt der Beter in einem dritten Schritt die Bitte um Bestrafung an Gott weiter.
Der Mensch greife also nicht selbst zur Gewalt und mache sich nicht zum Rächer, betonte der Referent. Indem er seine Wünsche nach Strafe und Vernichtung ausspreche, leiste er einen ersten Ansatz zur Bewältigung, zur Überwindung seiner eigenen Gewaltfantasien.
In unserer Gesellschaft werde Aggression tabuisiert und nicht ausgesprochen. „In unserem Christentum hat die Klage keinen Platz mehr“, sagte der Theologe. Das könne aber zu weiterer Aggression führen. Die eigene Gewalt werde überwunden, indem man seine Gedanken und Vorstellungen ausspreche und sich mit ihnen auseinandersetze. Und das sei das Gute auch an den vordergründig gewalttätigen Texten der Bibel.
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage gestellt, inwieweit die jüdisch-christliche Tradition dazu beigetragen habe, dass Europa so gewalttätig sei. „Religion kann immer auch von Herrschaft vereinnahmt werden“, antwortete Professor Dillmann. Das sei in der Vergangenheit häufig geschehen und geschehe immer noch. „Das ist gegen die Bibel und gegen Gott.“

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