Wie einst im Lichthof der Münchner Universität: Flugblätter rieseln von der Empore der Christuskirche herab.

Haltung braucht Mut

Im Gottesdienst: Geschwister-Scholl-Schule und Lippische Landeskirche erinnern an das Vermächtnis der

Detmold. Die evangelisch-reformierte Christuskirche Detmold hatte am Sonntag die Gottesdienstreihe "Profile" zu Gast. Anlässlich des Holocaust-Gedenktags widmete sich das Schulreferat der Lippischen Landeskirche in Kooperation mit der Geschwister-Scholl-Schule dem Leben und Wirken der Geschwister Scholl.

Es klang wie Wasserrauschen, als unzählige Blätter von der Empore der Christuskirche herabrieselten. Schüler der zehnten Jahrgangsstufe hatten sie in den Innenraum geworfen. "Eines Tages wollten sie nicht mehr schweigen", berichteten sie. "Und so kamen Sophie und Hans Scholl auf die Idee, Flugblätter zu verfassen."

Sechs Flugblatt-Aktionen startete die Widerstandsgruppe "Weiße Rose" an der Münchner Universität, ehe die Geschwister am 18. Februar 1943 festgenommen und nur vier Tage später hingerichtet wurden.

Auf einem "Museumsrundgang" ließen die Schüler persönliche Gegenstände der Protagonisten sprechen und gaben den Gottesdienstbesuchern auf diese Weise eindrucksvolle Einblicke in das Leben und Wirken der Geschwister.

"Ich war beim Gerichtsprozess in seiner Manteltasche", berichtete etwa Hans' Bleistift. "Ich kann genau sagen, das war ein abgekartetes Spiel." Sophies Armreif erzählte, wie er auf den dunklen Füller eifersüchtig wurde, mit dem Sophie Nächte im Keller verbrachte, und wie ihr Arm schließlich langsam kalt wurde, als sie starb.

Bilder aus dem Leben der Geschwister und weiterer Mitglieder der "Weißen Rose" wurden gezeigt. Ein Sprung in die Gegenwart führte zu möglichen Alltagssituationen, die die Jugendlichen darstellten: Ein Junge wird verprügelt, aber zunächst hilft ihm niemand. Ein lesbisches Paar wird von fundamentalistischen Mitschülerinnen verurteilt, weil es sich liebt. In einer fiktiven "Tagesschau" wird Donald Trump zum Weltpräsidenten erklärt.

Deutlich wurde: Auch heute ist eine Haltung notwendig, die Mut braucht. Das, so zeigten die Schüler unter der Leitung der Theaterpädagogin Bettina Frank und ihrer Lehrerinnen Iwona Günther und Christa Stratmann, sei das Vermächtnis der Geschwister Scholl.

In seiner Predigt erinnerte Pfarrer Maik Fleck an den Propheten Jeremia, der die Missstände seiner Zeit auch dann noch ansprach, als die Menschen ihn auslachten und die Politiker ihn verhafteten: "Weil Gott sein Herr ist, kann Jeremia denen die Stirn bieten, die Herr über ihn sein wollen."

Schulreferent Andreas Mattke dankte den Beteiligten für ihre klare Botschaft: „Haltung braucht Mut.“ In einem Interview auf dem bunten Sofa, verbindendes Element der Gottesdienstreihe Profile,  sprach er mit Bettina Frank und zwei Schülern über das Projekt. Die Theaterpädagogin berichtete von ihrem Ansatz, den Jugendalltag von heute in einen Bezug zu bringen zur Zeit des Nationalsozialismus. "Opferrollen können und dürfen wir nicht vergleichen", sagte sie. "Aber wir können über ein eigenes körperliches Erleben eine Annäherung schaffen." Die 15-jährige Laura bestätigte, dass so ein anderer Zugang zu trockenen Unterrichtsthemen gelungen sei, und ihr 16-jähriger Mitschüler Henry ergänzte: "Diese Erfahrungen zeigen, wie wichtig auch heute Zivilcourage ist."

30.01.2018