Zweikonfessionalität als Reichtum

Festvortrag: Warum es in Lippe immer noch Lutheraner und Reformierte gibt

Museumsleiter Jürgen Scheffler und Historikerin Dr. Lena Krull (von links) sowie (von rechts) Superintendent Dr. Andreas Lange und Lemgos Bürgermeister Dr. Reiner Austermann überreichten Dr. Martin Dutzmann (Mitte) das allererste Exemplar des 400 Seiten starken Begleitbuches zur Ausstellung.

Kreis Lippe/Lemgo. „Das Vorhandensein zweier evangelischer Konfessionen an einem Ort ist zunächst einmal ein Reichtum.“ Diese Überzeugung stand im Mittelpunkt der Ausführungen, mit denen Dr. Martin Dutzmann die Reformationsausstellung „Glaube, Recht & Freiheit. Lutheraner und Reformierte in Lippe“ am Samstag, 26. August, in der Lemgoer Kirche St. Marien eröffnet hat.
Der heutige Prälat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und frühere lippische Landessuperintendent (2005 - 2013) erläuterte vor annähernd 300 Besuchern, dass die lippische kirchliche Situation mit ihrer „Zweikonfessionalität“ von Reformierten und Lutheranern die Möglichkeit eröffne, das Evangelium mit unterschiedlichen Akzentsetzungen zu verkündigen, was in einer pluralen Gesellschaft von Vorteil sei.

Diese Position werde gestützt von der Leuenberger Konkordie, mit der 1973 lutherische, reformierte und unierte Kirchen in Europa einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewährten. Dr. Dutzmann: „Damit beendeten sie eine jahrhundertelange Trennung am Tisch des Herrn. Erklärt wurde allerdings nicht die Vereinheitlichung der Kirchen und das Ende der verschiedenen reformatorischen Traditionen, sondern die Einheit in versöhnter Verschiedenheit.“ Diese lasse viel Raum - Raum für Unionen wie im Bereich der früheren Evangelischen Landeskirche in Preußen, aber auch für die Situation, wie sie sich seit der Reformationszeit in Lippe entwickelt habe und bis heute darstelle.

Die Einheit in versöhnter Verschiedenheit markiere allerdings auch eine Grenze. Verschiedenheit sei in der Kirche nur insoweit legitim, als sie nicht die Einheit der Kirche in Frage stelle. In der Lippischen Landeskirche stelle dies besondere Anforderungen an alle Menschen in kirchenleitenden Ämtern. Ihnen obliege es, die eigene konfessionelle Prägung zu pflegen und zugleich die ganze Kirche aus Lutheranern und Reformierten im Blick zu halten. Dr. Dutzmann: „Nach meiner Erfahrung gelingt das in Lippe gut und ich kann nicht erkennen, dass die lippische Zweikonfessionalitat die Einheit der Kirche gefährdet oder die Verkündigung des Evangeliums behindert. Wäre das der Fall, müsste allerdings neu nachgedacht werden.“

Die besondere Rechtsstellung des lutherischen Superintendenten sowie des lutherischen Klassenvorstandes und die Zusammensetzung der landeskirchlichen Leitungsorgane in Lippe seien einzigartig innerhalb der EKD. Als er noch Landessuperintendent gewesen sei, habe man ihn außerhalb Lippes immer wieder gefragt, ob es das alles geben müsse: „Natürlich muss es die Zweikonfessionalität lippischer Prägung nicht geben, damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann. Aber bevor man diesen Zustand beendet, sollte man einige Fragen stellen.“ Zum Beispiel: „Sind wir sicher, dass wir mehr Menschen mit dem Evangelium erreichen, wenn wir die reformierte und die lutherische Tradition nicht mehr in der Weise pflegen, wie wir es schon lange und noch heute tun?“

Der lutherische Superintendent Dr. Andreas Lange, die Historikerin Dr. Lena Krull und der Lemgoer Museumsleiter Jürgen Scheffler haben die Ausstellung „Glaube, Recht & Freiheit. Lutheraner und Reformierte in Lippe“ mit vielen historischen Exponaten vorbereitet. Sie ist bis Anfang Januar täglich außer montags im Lemgoer Hexenbürgermeisterhaus sowie in den Innenstadtkirchen St. Marien und St. Nicolai zu besichtigen. www.glauberechtundfreiheit.de/

28.08.2017