Diplom-Psychologe Karl-Heinz Jans (Bad Salzuflen) erläuterte Risikofaktoren der frühkindlichen Entwicklung.

Fachtag Kindheit

150 Fachleute trafen sich auf Einladung der Evangelischen Familienbildung

Kreis Lippe/Lemgo. Spätestens seitdem die „Super Nanny“ im Privatfernsehen in deutschen Kinderzimmern nach dem Rechten sieht, ist klar, dass es auch in der Wirklichkeit ein großes Bedürfnis nach Unterstützung und Hinweisen für den Erziehungsalltag mit Kindern gibt. Zu einem Fachtag „Kindheit“ hatte die Evangelische Familienbildung der Lippischen Landeskirche am Mittwoch, 17. Mai, in das Lemgoer Gemeindezentrum St. Johann eingeladen.

150 Fachkräfte aus dem psychosozialen Betreuungsbereich und der Arbeit mit Kindern diskutierten mit Experten Lösungsmöglichkeiten unter dem Leitgedanken „Weichen stellen in der frühkindlichen Entwicklung“.

Karl-Heinz Jans, leitender Diplom-Psychologe der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik in Bad Salzuflen, nannte in seinem Vortrag verschiedene Risiken, die die kindliche Entwicklung beeinträchtigen könnten. Wenn die Eltern sehr jung seien, untereinander Konflikte austrügen, einen niedrigen sozioökonomischen Status besäßen, ihren Nachwuchs vernachlässigten und gegenüber den Kindern inkonsequent aufträten, dann seien dies Faktoren, die eine „normale“ kindliche Entwicklung beeinträchtigen könnten. Diese Risikofaktoren träten in der Mehrzahl der Fälle nicht einzeln, sondern gebündelt auf. Festzustellen sei jedoch, dass nicht alle Kinder gleichermaßen unter belastenden Lebensumständen litten. Manche entwickelten eine Widerstandskraft gegen traumatische Erfahrungen und wirtschaftliche Not, andere allerdings nicht. Seine Vermutung sei, dass widerstandsfähige Kinder die ihrer Entwicklung abträglichen Bedingungen als Herausforderung empfänden. Weniger stabile Kinder erlebten Belastungsfaktoren als zu großen Stress und würden in der Folge ihrer Umwelt „mit einer niedrigen Anpassungsfähigkeit aber einer hohen Reaktionsintensität“ begegnen. Je früher bei diesen Kindern „mit einem schwierigen Temperament“ von professioneller Seite (Jugendamt, Therapeuten) ausgleichend aktiv ins Familienleben eingegriffen werde, desto besser seien die Prognosen für ein späteres normales Leben der Kinder. Es gelte, zusammen mit den betroffenen Familien zu ermitteln, welche Fähigkeiten und Kompetenzen sie besitzen und welche Unterstützungspotenziale im Umfeld vorhanden sind.

Psychologieprofessor Dr. Axel Schölmerich sprach sich auf der Fachtagung dafür aus, Kindern sowohl zuhause wie im Kindergarten altersangemessene Aufgaben zu stellen und sie zum Einhalten von Regeln aufzufordern. „Herausforderungen sind entwicklungsfördernd“, bekräftigte der Bochumer Hochschullehrer.

Eröffnet hatten den Fachtag Horst-Dieter Mellies, Landespfarrer für Bildungsarbeit, und Lemgos Bürgermeister Dr. Rainer Austermann. Austermann wünschte den Ärzten, Therapeuten und Erziehern, dass sie in ihren Praxen, Heimen und Kindergärten die Weichen richtig stellten. Das sei einerseits ein ganz menschlicher Wunsch, aber auch aus finanzieller Hinsicht nachvollziehbar. Falsch gestellte Weichen, die zu einer Heimunterbringung führten, belasteten die kommunalen Kassen enorm.

19.05.2006