Prof. Dr. Rainer Dollase (2. von links) auf der Schulleiterbegegnungstagung im Kreise von (von links) Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann, Landespfarrer Günter Puzberg, (Tagungsleiter und landeskirchlicher Referent für Kirche und Schule) sowie Hauptdezernent Dr. Egon Gindele (Bezirksregierung Detmold).

Führung mit Achtung und Herzlichkeit

Prof. Dr. Rainer Dollase auf der Schulleiterbegegnungstagung der Lippischen Landeskirche

Kreis Lippe/Lage-Stapelage. „Schüler wünschen sich von ihren Lehrern Führung kombiniert mit Herzlichkeit und Einfühlungsvermögen. Laberköpfe und Weicheier können Kindern und Jugendlichen keine Werte vermitteln.“ Prof. Dr. Rainer Dollase (Universität Bielefeld) nahm bei seinem Vortrag über „Werteerziehung“ am Mittwoch, 5. April, in der evangelischen Tagungsstätte Haus Stapelage kein Blatt vor den Mund. Er sprach auf der Schulleiterbegegnungstagung der Lippischen Landeskirche vor mehr als 50 leitenden Pädagogen.

Der Bielefelder Hochschullehrer skizzierte als pädagogische Aufgabe der Zukunft, Jugendliche „auch auf das Verlieren“ vorzubereiten. Vor dem Hintergrund des tagesaktuellen Hilferufes der Lehrerschaft der Berliner Rütli-Schule warb der Leiter des Uni-Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung für einen „autoritativen Führungsstil“. Nur wer als Lehrer oder Lehrerin vor der Schulklasse glaubwürdig, konsequent und zugleich anteilnehmend auftrete, dessen Wertekanon werde von den Schülern als aufrichtig und authentisch akzeptiert. Zwar lernten Kinder und Jugendliche auch voneinander und aus den Medien, doch es sei eine aus der Evolution her bekannte Tatsache, dass eine erwachsene Bezugsperson für Heranwachsende von großer Bedeutung sei. Allerdings seien Lehrer nicht alleinverantwortlich für Bildung und Erziehung. Die Familiensituation, der Freundeskreis, das weitere soziale Umfeld und Vorbilder aus der Medienwelt seien zusätzliche Einflussfaktoren. Prof. Dollase: „Im Grunde erziehen wir alle die Jugendlichen.“ Problematisch werde die Wertevermittlung dann, wenn Lehrer auf eine Art und Weise unterrichteten, die den Schülererwartungen nicht entspreche. Schüler erwarteten, so Dollase, einen „gesteuerten, reibungslosen und schwungvollen Unterricht.“ Pädagogen, die es verständen, einen solchen Unterricht im Schulalltag zu verwirklichen, würden akzeptiert. Auf Ablehnung beziehungsweise Desinteresse würden solche Lehrer stoßen, die sich als späte Vertreter einer „antiautoritären Erziehung“ begriffen, Frontalunterricht prinzipiell ablehnten und Fragestellungen im Unterricht gerne überproblematisierten. Prof. Dollase: „Viele Dinge sind eben nicht Ansichtssache, sondern sie sind so, wie sie sind.“

Der Bielefelder Bildungsforscher vertrat die Auffassung, dass das „Gesamtniveau der Gewalt“ an den deutschen Schulen im Vergleich zu den 50er und 60er Jahren nicht gestiegen sei. Auch damals hätten sich Schüler untereinander geprügelt. Die jetzige Situation unterscheide sich jedoch insofern von jener Zeit der Halbstarken, als sich gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen heute auf Schulen mit einem hohen Ausländeranteil konzentrierten. In Gänze könnten das weder ein

„autoritativer Führungsstil“ noch Klassenführungstechniken ändern. Mitursächlich für Gewaltausbrüche, wie die Lehrer der Berliner Rütli-Schule sie an die Öffentlichkeit gebracht hatten, seien fehlende Berufs- und Lebensperspektiven der Jugendlichen. Prof. Dollase unterstrich, dass es in Zeiten der Globalisierung eine neue pädagogische Herausforderung sei, insbesondere Hauptschulabgänger darauf vorzubereiten, dass sie in ihrem späteren Leben höchstwahrscheinlich nicht zu den Gewinnern zählen würden. Das bedeute nicht zwangsläufig, ihnen die Freunde am Leben und den Optimismus zu nehmen. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und für die Kirchen eine Chance, für die zunehmend größer werdende Zahl perspektivloser Hauptschulabgänger „Auffanglinien“ zu entwickeln, um einen Absturz ins Bodenlose zu verhindern.

06.04.2006