Diskutierten über Sinnsuche und Kirche: Dieter Bökemeier, Monika Korbach, Dietmar Arends, Anne Elise Liskowsky, Susanne Niemeyer und Christian Kurrat (von links)

Menschen auf Sinnsuche

Marktplatzgespräch: Welche Antworten die Kirche heute geben kann

Detmold. Kirche begleitet Menschen auf vielfältige Weise – aber sie gibt keine Pauschalantwort auf die Sinnsuche der Menschen: „Die Zeiten, wo Kirche den Menschen vorschreibt, was der Sinn des Lebens ist, sind vorbei. Aber sie kann mit den Sinnsuchenden im Gespräch sein, sie begleiten und beraten.“ Diese Ansicht vertrat Landessuperintendent Dietmar Arends beim Marktplatzgespräch zum Thema „Die neue Sinnsuche und die „alte“ Kirche“, zu dem die ev.-ref. Kirchengemeinde Detmold-Ost und die Lippische Landeskirche in das Gemeindehaus am Markt eingeladen hatten.

Bei den rund 60 Besuchern im gut gefüllten Gemeindehaus stieß das von Bildungsreferentin Monika Korbach und Pfarrer Dieter Bökemeier moderierte Thema auf großes Interesse – begeben sich doch seit einigen Jahren immer mehr Menschen auf Pilgerwege, besuchen offene Kirchen oder nehmen an Einkehrtagen in Klöstern teil, während die Zahl der Gottesdienstbesucher abnimmt. Ganzheitlichkeit, Körperlichkeit, innere Einkehr und Abkehr von der Hektik des modernen Alltags sind Stichworte dieser Sinnsuche. „Kirche muss Angebote außerhalb des Gebäudes Kirche machen, muss sich weiter entwickeln“, forderte Dr. Christian Kurrat (Fern-Universität Hagen), der sich in seiner Dissertation mit dem spanischen Jakobsweg und den Gründen fürs Pilgern beschäftigt hat, angesichts der zunehmenden Individualisierung von Religion mit Elementen aus Esoterik und Okkultismus. Anne Elise Liskowsky vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gab einen Einblick in die 5. Mitgliedschaftsstudie, die zwar Zuwächse bei den Hochverbundenen, aber auch bei den so gut wie gar nicht Verbundenen feststellt. In der Mitte, bei Menschen, die der Kirche entfernt nahe stehen, gibt es demnach eine verstärkte Abkehr.
Auch Liskowsky regte an, um der Sinnsuche Raum zu geben, neue Wege außerhalb von Kirchenmauern zu gehen.
„Wir müssen den Mut haben, Spiritualität und neue Sinnsuche in unsere Arbeit zu integrieren“, sieht es Dietmar Arends ähnlich, warnt aber bei aller Suche nach neuen Angeboten davor, den Gottesdienst als Mitte christlicher Gemeinde herabzuwerten. Auch der Gottesdienst sei, ebenso wie das Pilgern, erfahrbare Religion. Arends: „Zum Wesen christlichen Glaubens gehört es, dass uns Dinge gesagt werden, die wir uns selbst nicht sagen können, etwa angenommen zu sein trotz aller Erfahrungen der Gebrochenheit.“ An wichtigen Lebensstationen biete Kirche weiterhin vielfältige Begleitung an, bei der Taufe, in den Kindertagestätten, bei der Konfirmation ebenso wie im Zusammenhang mit Trauererfahrungen. Auch der Spiritualität gebe die Lippische Landeskirche einen Raum. Sie habe als evangelische Kirche mit lutherischen und reformierten Gemeinden seit einigen Jahren sogar einen Bereich „Pilgern in Lippe“.
Eine weitere wiederentdeckte spirituelle Tradition beschrieb Susanne Niemeyer, Pfarrerin für Kurkliniksorge. Das Herzensgebet sei eine christliche Meditationsform, die sie seit einigen Jahren mit viel Zuspruch anbiete. Wie ein Mantra werde beim Herzensgebet ein Wort aus der Bibel wiederholt, um zur Ruhe zu kommen und einen Zustand zu erreichen, „in dem man einfach nur da ist, ohne etwas zu wollen“. Dieses Angebot würden sowohl Menschen wahrnehmen, die Kirchgänger seien, als auch solche, die nicht so viel mit Kirche anfangen könnten.
Der Abend, der das Interesse vieler Menschen an der Suche nach neuen Angeboten und Formen von Kirche verdeutlichte, wurde musikalisch begleitet vom Saxophonquartett AbraxSax.


 

04.11.2014