Gewalt überwinden

Friede und Versöhnung als bleibende Aufgaben

"Nicht lochen. Nicht abheften. Sondern auf jeden Fall dran bleiben an den Dekade-Themen!" Das forderte Präses Nikolaus Schneider zum Abschluss der Dekade zur Überwindung von Gewalt.

Das war nachmittags bei einer der Talkrunden draußen auf dem Platz vor der Marktkirche in Essen - unterbrochen durch mitreißende Musik von "Godlove" und dem Posaunenchor der Altstadtgemeinde Essen. Dabei hatte der Präses gleich zu Beginn des Tages im Gottesdienst zum Abschluss des zehnjährigen Programms des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) - zusammen gefeiert von rheinischer, westfälischer und lippischer Landeskirche - betont, dass Christinnen und Christen vom Wort Gottes angesprochen sind. Dies binde und befreie - auch gegen die Verlockungen der Gewalt, der kalten und heißen Kriege. Auch wenn der Tag der Feier vielfältiger Erfolge in der Friedens- und Versöhnungsarbeit gelte, so ist doch "mit dem Ende der Dekade die Aufgabe nicht erledigt".
"Frieden bleibt dran" lautete auch der Titel dieser Abschlussveranstaltung, die neben dem Gottesdienst in der Kreuzeskirche zu Beginn und dem Begegnungsfest vor der Marktkirche im dritten Teil in der Mitte aus einem Friedenszug bestand. Angetrieben von den Rhythmen der Gruppe "Apito Fiasko" zogen die Gläubigen durch die Straßen der Essener City. Mit dabei: Die "gemalten Gebete", riesige Fahnen, die während des Besuchs der Gäste aus Partnerkirchen des Kirchenkreises Essen entstanden sind. Klar, Polizei mit dabei, das gehört sich so bei einem Umzug. Ein Autofahrer, schwarzer Autolack, schwarzes Outfit, muss warten, bis er weiter darf. "Nicht schlimm", sagt er und will wissen, worum es geht. "Frieden - das finde ich gut."

"Ich habe sehr große Hoffnung" bekennt ausgerechnet Viola Raheb, aus dem besetzten Bethlehem gebürtige Palästinenserin, evangelische Theologin, Mitarbeiterin der ÖRK-Koordinierungsgruppe für die Dekade und an diesem Tag Predigerin im Gottesdienst. Dort spricht sie davon, dass sich Kirche und Christen "die Hände schmutzig machen", um als Zeugen des Friedens Gottes im Hier und Jetzt den Frieden zu gestalten. "Ehre sei Gott und Friede auf Erden" - dieser Lobruf der Engel aus der
Weihnachtsgeschichte sei das Motto der internationalen ökumenischen Friedenskonvokation im kommenden Jahr, erinnerte Raheb. Und: Beide Teile dieses Lobrufs gehörten zusammen. "Wer ,Ehre sei Gott' bekennt, kann nicht anders, als ,Frieden auf Erden' zu bezeugen", so Viola Raheb in ihrer Predigt. Später, in der Talkrunde, erläuterte sie ihre Hoffnung: Gottesdienst und Friedensmarsch seien Zeichen der Hoffnung, "wir bekennen, eine andere Welt ist möglich".

Und der Bogen war noch größer gezogen: An zwei Tagen vor der Abschlussfeier in Essen ging es in der Evangelischen Akademie in Schwerte-Villigst in einer Tagung um Fragen der Gerechtigkeit und Versöhnung. Aus Sicht der Vize-Ökumenechefin der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Landeskirchenrätin Christine Busch, wurde klar, in welchen Bereichen die Überwindung von Gewalt Thema bleibt: sexualisierte Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel. Und, ebenfalls kürzest zusammen gefasst: "Wir lernen von den Partnerkirchen, dass die Opfer von Gewalt zu Subjekten der Veränderung werden müssen." Überwindung von Armut gelingt, wo Arme den Weg der Überwindung selbst bestimmen.

Die Kirchen werden weiter am Thema Gewalt überwinden bleiben, so Busch. "Wir verpflichten uns, Gewalt im persönlichen Lebensumfeld und strukturelle Gewalt aufeinander zu beziehen." Ihr zufolge wurde in Villigst auch deutlich: Nötig ist eine Vernetzung zwischen ökumenischen Gruppen und verfassten Kirchen. "Gemeinsam wollen wir für einen gerechten Frieden arbeiten: konziliar und prophetisch, geistlich und politisch."

"Geht weiter den Weg, den die Dekade gewiesen hat", sagte denn auch zum Schluss des Gottesdienstes der lippische Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann. "Lebt aus Gottes Frieden und macht auch anderen Menschen Mut dazu, mischt Euch ein gegen häusliche Gewalt gegen Kinder und Frauen, gegen die Gewöhnung Jugendlicher an Gewalt und Krieg durch Spiele und Filme, macht den dramatischen Klimawandel zum Thema, setzt Euch für eine gerechte Weltwirtschaft ein, haltet fest am Ziel eines gerechten Friedens!"

Warum diese Themenvielfalt? Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung. Das machte Dutzmann später in der Talkrunde deutlich: Sie sind wie "kommunizierende Röhren, gehören zusammen". Dort erläuterte der Landessuperintendent, der auch als evangelischer Militärbischof amtiert, dass sich die Soldaten im Dienst des Friedens wissen. Was nun aber Afghanistan betreffe, so sei "die Zielsetzung unklar, es bedarf der Nacharbeit".

Für den kurzfristig fehlenden westfälischen Präses machte der westfälische Ökumene-Chef Dr. Ulrich Möller klar, wie wichtig und dringend eine "Kultur der Versöhnung mit der Schöpfung" ist. Er mahnte eine Umkehr des Lebensstils an. Ihm sekundierte Katja Breyer vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED): "Das A und O ist: weniger verbrauchen. Das ist der Schlüssel."

22.09.2010