Der „neue“ Abendmahlstisch mit seinen vielen Symbolen regt an, über Jesu Leidensweg nachzudenken.

Koffer für die letzte Reise

Nachdenken über die Passionszeit

Horn. Wer in den Wochen vor Ostern die ev.-ref. Stadtkirche Horn betritt, wird einen „neuen“ Abendmahlstisch vorfinden. Pfarrer Maik Fleck hat ihn als symbolträchtige Installation gestaltet, deren Elemente zum Nachdenken über die Passionsgeschichte einladen.

Mit Jesu Aufforderung an die Jünger „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem“ beginnt im 18. Kapitel des Lukas-Evangeliums die Leidensgeschichte Jesu. Pfarrer Fleck: „Harmlos wirkt dieser Satz, als würde Jesus mit seinen Jüngern einen kleinen Ausflug machen wollen.“ Der Abendmahlstisch in der Kirche, die um ihn gruppierten Koffer und weitere Dinge greifen Motive des vermeintlichen Ausflugs auf und verweisen auf das Ziel der Reise. Im Gegensatz zu seinen Begleitern weiß Jesus, dass die anstehende Reise seine letzte ist. Aus dem Koffer links am Abendmahlstisch ragen vorausweisende Dinge: ein Stacheldraht, ein Strick und ein jüdischer Gebetsmantel - ein Tallit. Pfarrer Fleck: „Das könnte Jesus im Koffer haben: das Wissen um seinen Tod und um die Gewalt, die ihm angetan wird. Und die Gewissheit, dass dies Wissen nur als Beter erträglich ist.“ In den Tallit hülle sich der Beter vor Gott, als sei er von Gottes Flügeln geborgen. Im Gebet wachse ihm der Mut zu, den Weg in der Tod zu gehen: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ Jesus habe jene Sprache des Betens bei sich, mit der ein Mensch im Leid leben könne, erläutert Pfarrer Fleck die Symbolkraft des Tallits. Auf dem Weg nach Jerusalem werde sich die tragende Kraft des Gebets bewähren.
Ein zweiter Gepäckbehälter rechts des Tisches ist leer. Fleck: „Auch das gehört in den Koffer für Jesu letzte Reise: die Leere. Sie ist die größte Gotteserfahrung Israels.“ Die entscheidende Stelle im Tempel, bei Heiden mit dem Götterstandbild gefüllt, sei im Tempel in Jerusalem leer. Der Gott Israels habe kein Bild. Er sei nicht Teil dieser Welt. Pfarrer Fleck: „Jesus wird Blut und Wasser schwitzen in Gethsemane - alleingelassen.“
In einer geöffneten Reisetasche auf dem Tisch liegt eine aufgeschlagene Bibel - Gottes Worte in menschlichen Geschichten. Auch diese Geschichten des Volkes Israel habe Jesus mit dabei, so Pfarrer Fleck: „Welche Visionen der Propheten wird er sehen? Vielleicht die vom Feld der Totengebeine, die Gottes Geist wieder belebt?“
Der Tisch selbst ist ein Würfel aus Holzstreben mit einer Tischplatte, bedeckt von einer Landkarte Israels und einem Stadtplan Jerusalems. Die Würfelform solle nicht nur daran erinnern, dass unterm Kreuz um Jesu Hinterlassenschaft gespielt werde, sondern der Würfel gelte wegen seiner Symmetrie als einer der idealen Körper. „Aber“, fragt der Pfarrer, „ist das Ideale wirklich der tragende Grund?“
Zuletzt ein Blick nach oben, wo an der Decke des Kirchsaals ein offener Koffer hängt. Im Koffer ist ein Torso sichtbar. Aus dem Koffer ragen zwei Stangen wie Arme in den Himmel. Ein Gekreuzigter? Ein Befreiter? Ein durch das Leid gegangener? Pfarrer Fleck erläutert: „Alles wohl und vor allem: über allem, ganz oben. Gott erhöht den, der diese letzte Reise geht. Er hebt die Arme zu Gott - als Beter, als Fürbitter für die, die unten auf der Erde sind und die ihre letzte Reise noch vor sich haben.“

05.03.2010