Einkommen ohne Arbeit?

Podiumsdiskussion bewertet „bedingungsloses Grundeinkommen“ skeptisch

Dieter Bökemeier und Monika Korbach moderierten die Diskussion zwischen Axel Seyler, Bendix Balke, Erik Haß und Svend Newger (von links).

Kreis Lippe/Detmold. „Arbeitslose Menschen diskutieren nicht über ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern über Regelsätze, Hinzuverdienstgrenzen und Vermögensbehalte.“ Für Erik Haß, den Leiter des Arbeitslosenzentrums Blomberg, ist die Vision eines Einkommens für alle ohne Bedürftigkeitsprüfung und Arbeitsbereitschaft ein nahezu reines Gedankenspiel. Haß war einer der Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Vision Grundeinkommen in Deutschland?“ im Gemeindehaus am Markt in Detmold.

Unter der Leitung von Monika Korbach (Bildungsreferat der Lippischen Landeskirche) und Pfarrer Dieter Bökemeier (ev.-ref. Kirchengemeinde Detmold-Ost) erörterten Erik Haß, Gewerkschaftssekretär Svend Newger (IG Metall Detmold), Pfarrer Bendix Balke (ev.-ref. Kirchengemeinde Leopoldstal) und Prof. Axel Seyler (globalisierungskritisches Netzwerk Attac) die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens zwar mit Sympathie, aber auch mit deutlichen Anfragen an die Machbarkeit.
Axel Seyler hielt die Finanzierbarkeit eines vom Staat gezahlten Einkommens an alle zur Sicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe „ohne weiteres für möglich“. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dazu führen, dass bisher schlecht bezahlte, aber notwendige Arbeit besser bezahlt bzw. attraktiver gestaltet werde. Nur ein kleiner Teil der arbeitsfähigen Menschen würde sich für ein vollkommenes Nichtstun entscheiden, um mit dem Basiseinkommen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die große Masse würde sich dafür entscheiden, „tätig zu sein“. Seyler: „Tätigkeit gehört zum Menschsein.“
Auch Svend Newger hielt ein Grundeinkommen für alle für grundsätzlich finanzierbar, doch könne er sich eine praktische Umsetzung dieser „charmanten Idee“ nicht vorstellen. Gesellschaftliche Realität sei, dass die vorhandene Arbeitslosigkeit den „Druck auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse erhöht“ und zum Beispiel Niedriglöhne produziert habe. Deshalb befürchtete Newger im Gegensatz zu Seyler, dass ein aus Steuergeldern gezahltes Basiseinkommen zu einem zusätzlichen Lohndumping führen könnte. Arbeitgeber könnten die Zahlungen des Staats an die Bürger als steuerfinanzierten Lohnkostenzuschuss verstehen. Um eine im Endergebnis „gerechtere Verteilung“ des erwirtschafteten Geldes zu erreichen, seien steuerliche Eingriffe nach der Maßgabe „Der Starke stützt den Schwachen“ zielgerichteter als Einkommensgarantien auf vermutlich niedrigem Niveau. Der Gewerkschaftssekretär: „Die Armut der Hartz-IV-Empfänger und der im Niedriglohnbereich Beschäftigten muss durch Umverteilung bekämpft werden.“
Pfarrer Bendix Balke erinnerte an das im Matthäus-Evangelium erzählte Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Der Weinbergbesitzer habe allen Arbeitern genau den Lohn gezahlt, der in damaliger Zeit notwendig war, um eine Familie einen Tag lang zu ernähren. Ein Aspekt der Gleichnisauslegung sei, dass der gezahlte Lohn die Existenz gesichert habe. Dies sei eine grundsätzliche Forderung der evangelischen Sozialethik: „Wer arbeitet, muss vom Lohn der Arbeit leben können.“ Im Unterschied dazu sei der Wunsch nach einem bedingungslosen Grundeinkommen eine „Utopie, die noch viele Fragen beantworten muss“. Warum zum Beispiel sollte man noch arbeiten; insbesondere dann, wenn die Arbeit sehr anstrengend sei? Pfarrer Balke bewertete die praktische Umsetzungsmöglichkeit der zwanglosen Einkommensutopie „sehr skeptisch“.

01.03.2010