Prof. Jürgen Mansel sprach über gesundheitliche Folgen von Armut im Jugendalter.

Arm:Mut

Projekttag des Diakonischen Werkes

Kreis Lippe/Lemgo. Projekte vorstellen, Erfahrungen austauschen, Vernetzung herstellen: angesichts der zunehmenden Armutsproblematik hatte das Diakonische Werk der Lippischen Landeskirche zu einem Studientag unter der Überschrift „Arm:Mut“ eingeladen. Rund 60 Menschen, die in der Region an Armutsprojekten beteiligt sind, waren im Kirchlichen Zentrum in Eben-Ezer zusammengekommen.

Auf den Frühjahrssynoden der Jahre 2007 und 2008 hatte sich die Lippische Landeskirche unter dem Eindruck, dass immer mehr Menschen immer weniger Teilhabe an der Gesellschaft haben, mit dem Thema Armut beschäftigt. Ein Ergebnis war die Broschüre „Hilfen für Menschen in Armut“.
Das Diakonische Werk hatte nun, um das Thema weiter zu vertiefen, zu dem Studientag „Arm:Mut“ mit Referaten und Workshops eingeladen: „Der Tag soll dazu dienen, gemeinsam ein Stück weiterzukommen“, begrüßte Landesdiakoniepfarrerin Renate Niehaus die Teilnehmer. „Was können wir hier vor Ort füreinander und miteinander tun? Was gibt es für Möglichkeiten, die materielle Ungerechtigkeit ein Stück weit auszugleichen?“
Wichtig sei, „dass wir in unserer Gesellschaft alle mitnehmen, seien es Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die schwächer sind aufgrund von Armut“, betonte Landrat Friedel Heuwinkel in seinem Grußwort. Der Titel Arm:Mut verdeutliche, dass in Lippe Menschen von beiden Seiten den Mut hätten, sich dem Thema zu stellen.
Prof. Jürgen Mansel, Soziologe an der Uni Bielefeld, sprach über gesundheitliche Folgen von Armut im Jugendalter. „Die Armenquote hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erhöht“, so Mansel. Vor dem Hintergrund der Strukturkrise werde sich das auch nicht ändern, „die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden nicht kleiner“. Die Arbeitslosenquote werde wieder deutlich ansteigen, andererseits gebe es eine ungeheure Reichtumsentwicklung in Deutschland.
Gesundheitliche Folgen für Menschen, die in Armut leben, entstünden zum Beispiel aufgrund begrenzter finanzieller Mittel durch Wohnungen mit feuchten Wänden und das Fehlen gesunder Ernährung. Weitere Folgen beträfen das psychische Wohlbefinden, wenn Jugendliche aus armen Familien den Eindruck hätten, ihre Situation nicht verbessern zu können. Gefühle von Angst und Sinnlosigkeit schlügen sich dauerhaft auf die Gesundheit nieder. Psychische und physische Beeinträchtigungen von Kopf- und Magenschmerzen, häufige Übelkeit oder Schlaflosigkeit seien die Folge. Mansel: „Jugendliche müssen alle Möglichkeiten erhalten, das Beste aus ihrem Leben zu machen.“ Problematisch sei allerdings das Anspruchsdenken der heutigen Konsumgesellschaft. Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung sei in unserer individualisierten Gesellschaft so hoch wie nie. „Die Konsumgesellschaft schraubt die Erwartungen hoch.“ Wichtig sei es, realistische Erwartungen zu haben.
Wie von Armut Betroffene sich selbst sehen, beschrieb Liesel Amelingmeyer, Sozialpädagogin aus Hamburg, am Beispiel von Menschen, die im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg leben. Befragungen im Rahmen einer Studie der EKD hätten ergeben, dass der Stellenwert einer geregelten Arbeit bei den Menschen sehr hoch sei. Ehrenamtliche Arbeit wurde als wichtig empfunden, um das soziale Netzwerk zu stärken. Klar sei aber auch geworden, dass sich die Menschen oft in einem Kreislauf befänden und sich immer wieder selbst bestätigten in ihrer Armutssituation.
In verschiedenen Workshops setzten sich die Teilnehmenden am Studientag anschließend unter anderem mit Tafelarbeit, Selbsthilfegruppen und regionaler Vernetzung auseinander. Die Herberge zur Heimat, Anlaufstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, die Kinderkleiderkammer Zipfelmütze der Caritas in Detmold, der Umsonst-Laden, ein gemeinsames Projekt mehrerer Detmolder Kirchengemeinden und die Gütersloher Suppenküche e.V. präsentierten ihre Projekte.

30.06.2009