„Die Angst sitzt tief“

Generalsekretär der Gossner Kirche zur Christenverfolgung in Indien

Wolf-Dieter Schmelter und Holger Teßnow dankten Cyril Lakra und Dolmetscherin Dr. Mini Linthe (von rechts) für den Bericht über die Vorgänge in Indien.


Kreis Lippe/Lage-Stapelage. „Die Angst der Christen vor fundamentalistischen Hindus in Orissa sitzt tief." Nach Einschätzung von Cyril Lakra, Generalsekretär der indischen ev.-luth. Gossner Kirche, ist die Rückkehr zu Normalität und Frieden in der ostindischen Region Orissa noch weit entfernt. Lakra sprach über die Christenverfolgungen in Indien bei einem Empfang der ev.-ref. Kirchengemeinde Stapelage-Müssen am Sonntag, 22. März.

Auf Einladung des Lippischen Freundeskreises der Gossner Mission berichtete Generalsekretär Lakra von brutalen Übergriffen von Hindu-Fundamentalisten gegen Christen im Bundesstaat Orissa. Dabei seien im August 2008 innerhalb weniger Tage 60 Christen getötet und 140 kirchliche Einrichtungen zerstört worden. Mehr als 50.000 Christen seien vor der Gewalt zunächst in die Wälder, später in eilig eingerichtete Flüchtlingslager geflohen, nachdem die indische Zentralregierung zur Eindämmung der Gewalt 4000 Bundespolizisten in die Krisenregion entsandt hatte. Die lokale Polizei des Staates Orissa habe dem Aufruhr tatenlos zugeschaut.
Mehrere tausend Häuser von Christen seien innerhalb von vier Monaten in Orissa gezielt von extremistischen Hindus zerstört worden, nachdem am 23. August ein radikaler Hindu-Führer ermordet worden war. Hindu-Nationalisten hätten Christen für den Mord verantwortlich gemacht, während die Polizei mittlerweile festgestellt habe, dass die Bluttat nicht von Christen verübt worden sei.
Hintergrund der Angriffe gegen Christen sei der Versuch der Hindu-Nationalisten, Macht zu gewinnen über die Adivasi (indische Ureinwohner) und die Dalits (Kastenlose), beide die am meisten benachteiligten Mitglieder der indischen Gesellschaft. Wegen der Fürsorge christlicher Kirchen, darunter auch die Gossner Kirche, um diese Bevölkerungsschichten seien die Kirchen ins Fadenkreuz fundamentalistischer Gewalt geraten. Radikale Hindus würfen den Kirchen vor, dass sie das traditionelle Sozialgeflecht der indischen Gesellschaft, das Kastensystem, untergraben würden.
In Stapelage berichtete Cyril Lakra, dass mittlerweile viele der rund 50.000 Geflohenen versuchten, in ihre Dörfer zurückzukehren. Dort aber stelle man sie vor die Wahl, Hindus zu werden oder zu verschwinden. Er sei dankbar, so Lakra, dass es im an Orissa angrenzenden Nachbarstaat Jharkhand nicht zu Gewalttaten gekommen sei. Dort lebten die meisten der 500.000 Mitglieder der Gossner Kirche. Sowohl in Orissa wie in Jharkhand zeigten sich die Kirchen gegenüber den Hindu-Fundamentalisten jederzeit gesprächsbereit, um den Konflikt zu deeskalieren.
Pfarrer i.R. Wolf-Dieter Schmelter vom Lippischen Freundeskreis der Gossner Mission erläuterte den Besuchern des Empfangs, dass die Lippische Landeskirche der Gossner Kirche über die Gossner Mission, die sich seit mehr als 170 Jahren in Indien engagiert, partnerschaftlich verbunden ist. Er habe im Namen des Freundeskreises vor einigen Wochen allen lippischen Bundestagsabgeordneten einen Brief geschrieben, um sie auf die Lage der Christen in Indien aufmerksam zu machen. Druck von außen sei notwendig, um die indische Regierung dazu zu bewegen, entschieden gegen illegale Aktivitäten gegenüber Minderheiten vorzugehen.
Stapelages Gemeindepfarrer Holger Teßnow hatte vor dem Empfang im Gottesdienst zur Solidarität aller Christen ermutigt. In Deutschland sorge man sich um die christlichen Gemeinden in Indien. Gewalt müsse unterbunden werden. Verständigung sei das Gebot der Stunde.

23.03.2009