Leben - eine lohnende Aufgabe

Prof. Dr. Annelie Keil auf dem Frühjahrstreffen der Frauenkreise

Lebendig: Barbara Mattke (rechts) vom Leitungsteam der Frauenkreise dankte Prof. Dr. Annelie Keil für ihren sehr anschaulichen Vortrag.

Kreis Lippe/Lemgo. „Leben verspricht nichts: weder Gesundheit, noch ein langes Leben, weder die große Liebe, noch einen sicheren Arbeitsplatz.“ Dennoch sei das Leben unbedingt lebenswert, unterstrich die Bremer Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Annelie Keil auf dem Frühjahrstreffen der Frauenkreise, zu dem die Evangelische Frauenarbeit in das Kirchliche Zentrum Eben-Ezer in Lemgo eingeladen hatte. In einem fesselnden und sehr pointierten Vortrag plädierte die emeritierte Professorin dafür, „das eigene Leben als eine Aufgabe anzunehmen, die sich lohnt“.

Leben sei das „Geschenk der nackten Geburt“, sagte die Referentin. Ausgestattet mit diesem „Startkapital“, das es umsonst gebe, hätten alle Menschen die Möglichkeit erhalten zu leben. Der Aufforderung jedoch, das Leben zu gestalten, müssten alle aus eigenem Antrieb nachkommen. Leben bedeute „Aktivität und Bewegung bis zum letzten Atemzug.“ Leben werde gestaltet und zugleich erlitten. Dem Handeln wohne stets die Möglichkeit des Scheiterns inne: „Der Traum vom stressfreien Leben ist der Traum vom Tod.“

Das Vertrauen auf die eigenen Kräfte und in andere Menschen verbunden mit der Erkenntnis, dass Menschen nur in „Koexistenz“ mit anderen Menschen leben könnten, seien unerlässlich für ein aktiv gestaltetes Leben. Dies zeichne sich durch das aus, was man gemeinsam mit anderen in die Wege leite. Wer sich davor scheue, mit anderen in Kontakt zu treten, beraube sich selbst vielfältiger Lebenschancen. Annelie Keil: „Der Slogan ‚Geiz ist geil’ mag ein Gesetz des Kapitalmarkts sein - bezogen auf das Leben bedeutet er das Ende der Koexistenz.“ Wer auf das Denken verzichte, verarme geistig: „Das Gehirn denkt nicht von selbst.“ Wer sich nicht dafür einsetze, Netzwerke und Beziehungen aufzubauen, gefährde seine Gesundheit: „Aus sozialer Nicht-Akzeptanz entstehen Krankheiten.“

Ihren mehr als 100 Zuhörerinnen berichtete die Referentin, dass ihre persönlichen Kindheits- und Jugenderfahrungen sie darin bestärkt hätten, niemals in ihrer zuweilen kämpferischen Vitalität nachzulassen. 1939 in Berlin geboren, verbrachte Annelie Keil die Kriegsjahre in einem Waisenhaus. Ihre Mutter habe das unehelich geborene Kind zunächst nicht haben wollen. Bei Kriegsende holte die Mutter sie aus dem Waisenhaus, das jetzt auf polnischem Gebiet lag. Mutter und Tochter gerieten in russische Gefangenschaft und verbrachten längere Zeit in einem Lager, ehe sie sich in Bad Oeynhausen niederließen. Hier habe sie als uneheliches Flüchtlingskind einer mittellosen Mutter soziale Ausgrenzung erlebt. Nichts von dem, was für ein gedeihliches Aufwachsen nötig gewesen sei, sei ihr einfach gegeben worden, sondern musste erkämpft werden. Ihr Lebenswille wurde letztlich belohnt. Viel sei ihr abverlangt worden, aber ihr sei auch gegeben worden. Was ihr an Hinwendung angeboten wurde, habe sie dankbar angenommen.

In ihrem Vortrag zitierte Annelie Keil auch Albert Schweitzer: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Dies sei ein zentraler Satz für ihre Auffassung und ihre Art zu leben und ein Schlüssel für das Verständnis ihrer Person. Das Leben wolle leben und es setze alles daran zu leben. Zugleich sei es verletzlich und ungesichert: „Das Leben ist eine Chance und eine Reise, aber es gibt keine Garantie, dass es gelingt.“ Doch wenn man Schwermut und Erstarrung vermeiden wolle, müsse man immer wieder neue Schritte wagen und sich gegenseitig ermutigen, die vom Leben gestellten Aufgaben anzunehmen.

05.05.2008